Mein erster Arbeitstag im German Doctors Hospital in Valencia ist überstanden und war überraschend vielseitig. Als wir, Sabine, die Langzeitärztin und ich, heute morgen um kurz vor acht zum Krankenhaus gingen, regnete es, wie schon die halbe Nacht, sodass uns ein ruhiger Tag mit wenig Patienten prophezeit wurde. Scheinbar war auch deutlich weniger los als an sonnigeren Tagen, gemerkt habe ich das nicht, ich war trotz allem gut beschäftigt. Sabine führte mich durch das Krankenhaus, dann gingen wir auf Visite. Viele der Patienten, die im Krankenhaus stationär aufgenommen wurden, wurden von Ärzten der Rolling Clinic geschickt, weil sie zu krank waren um ambulant behandelt zu werden oder weiterführende Diagnostik benötigten.
So zum Beispiel ein Kind mit einer schweren Lungenentzündung, welches vollkommen dehydriert war, da es keine Flüssigkeit mehr zu sich nehmen konnte. Es fiel durch eine für sein Alter geringe Größe und ein deutlich zu niedriges Gewicht auf. Im Verlauf stellt sich heraus, dass es einen angeborenen Herzfehler hat und in ein anderes Krankenhaus überwiesen werden muss, wo es einen Kinderkardiologen gibt. Inwieweit man ihm dann helfen kann, wird sich erst noch herausstellen.
Nebenan turnt ein Junge munter auf dem Bett herum, bei ihm wurde eine Phimose, eine Verengung der Penisvorhaut, diagnostiziert, sodass er zur OP in unser Krankenhaus kam. Ihm geht es sichtlich wieder gut und er darf morgen nach Hause.
In einem anderen Raum liegt eine ältere Frau mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz und chronischer Lungenerkrankung. Sie kam vor ein paar Tagen mit größter Luftnot, jetzt hat sie weiterhin einen 24-stündigen zusätzlichen Sauerstoffbedarf. Die Familie bemüht sich, ein ambulantes Sauerstoffgerät zu besorgen, aber der Patientin geht es so schlecht, dass man ihr auch damit nicht wirklich wird weiterhelfen können. Leider kann man diese Krankheiten nicht heilen, dass aber auch in Deutschland nicht.
Dann gibt es noch die Tuberkulosestation ein Stockwerk höher, wo die schweren Tb-Fälle behandelt werden. Viele Tuberkulosepatienten sind unglaublich abgemagert und geschwächt, sodass sie sich selbst nicht mehr versorgen können. Ein junger Mann wurde von der Familie mit einer Lähmung beider Beine ins Krankenhaus gebracht als er irgendwann auch nicht mehr den Urin halten konnte. Als Ursache zeigte sich eine Wirbelkörpertuberkulose, welche auf das Rückenmark drückt und somit die Lähmung auslöst. Nach fast 3 Monaten Antibiotikatherapie kann der Patient nun wieder laufen. So erlebt man trotz vieler schockierender Eindrücke auch immer sehr schöne Momente, die einen zur Weiterarbeit unheimlich motivieren.
Dann war es Zeit für meine kleine Ambulanz, hier mein Untersuchungszimmer.
Das ist Riza, eine super ausgebildete Krankenschwester, die übersetzt und mir mit hilfreichen Tipps zur Seite steht.
Mein erster Patient heute war ein 4-jähriger Junge, der mit Bauchschmerzen seit einer Woche kam. Beim Bauchabtasten spürte ich ganz deutlich eine große Verhärtung im rechten Mittelbauch und war erstmal etwas schockiert über diesen Befund. Ich dachte schon an einen Tumor, im Ultraschall sah man aber erstmal nicht viel, vielleicht einen entzündeten Darmabschnitt. Die Stuhluntersuchung lieferte jedoch schnell das Ergebnis, der Junge hatte Amöben, welche wohl typischerweise solche tastbare Resistenzen erzeugen, wie mir später erklärt wurde. Jetzt wird er eine Woche mit Antibiotika behandelt.
Mein zweiter Fall war erneut ein kleiner Junge, der laut der Mutter Probleme beim Wasserlassen habe, dies bestehe bereits seit der Geburt. Jetzt ist er 1 1/2 Jahre alt, ich war der erste Arzt, der den Jungen sah. Als ich mir sein Genitale anschaute bekam ich erstmal einen großen Schrecken, erinnerte mich jedoch zum Glück wieder an eine Urologievorlesung. Der Junge hat eine Fehlbildung der Harnröhre, dies auch ziemlich ausgeprägt, sodass der Penis oben nicht richtig zusammengewachsen war und über eine lange Strecke offen lag, eine Epispadie. Ich schickte ihn weiter zum Chirurgen.
Es kamen noch viele Patienten mit Husten und Fieber, Durchfallerkrankungen und kleineren Verletzungen. Besonders einprägsam war ein 6 jähriger Junge, der beim Spielen im Reisfeld von einem Vogel ins Auge gepickt worden war. Erst dachte ich, ich hätte die Übersetzerin nicht richtig verstanden, aber bei näherer Betrachtung hatte der kleine Junge eine Perforation des Auges, welches schon ganz weiß geworden war und auf dem der kleine Patient kaum mehr sehen konnte. Es gibt einen guten Augenarzt, zu dem wir solche Fälle überweisen können, dass er das Auge jedoch retten kann glaube ich nicht, das Ereignis war nämlich schon drei Tage her.
Es ist unglaublich, wie abwechslungsreich der heutige Tag war, es wurde keine Fachrichtung ausgelassen, auch mein Ohrenspiegel kam zum Einsatz und ich entdeckte eine bislang unbekannte Schwangerschaft.
Ich freue mich auf morgen, auch wenn man leider manchmal in seinen Möglichkeiten doch sehr eingeschränkt ist, weil zum Beispiel viele Medikamente gerade „out of stock“ sind und auf weniger effektive Mittel (wenn möglich) zurückgegriffen werden muss.
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